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Für uns gelesen im Fischer & Teichwirt 06/2022

 

Bundeszentrum für Ernährung Informiert über den Fisch aus der Zellkultur.

 

Bilder von SUSHI-Lachs oder Fischbällchen  auf Basis von Zellen kursieren schon länger im Internet.

Steht die Markteinführung von  kultiviertem Fisch wirklich kurz bevor? Ein Überblick.

 

Fortschritte im Bereich In-vitro-Fleisch führen auch dazu, dass mehr Unternehmen im Bereich zellbasierter Fisch entstehen.

 

. Mangels ausreichender Forschungsförderung sind es die Start-Ups selbst sowie zahlreiche private Investoren, die die Entwicklung vorantreiben.

 

. 2020 wurde in Deutschland das erste europäische Unternehmen gegründet, das Fisch aus Zellen zeitnah auf den Markt bringen möchte.

 

. Wir zeigen den Stand der Entwicklung und geben einen Ausblick auf die Zukunft der Technologie.

 

Folgt man den Selbstdarstellungen der Start-Ups, die Fischprodukte auf Zellkulturbasis entwickeln, in den sozialen Medien, könnte der Eindruck entstehen, diese stünden kurz vor der Markteinführung.

Vor allem von Sushi-Lachs aus Kalifornien  gibt es in letzter Zeit immer neue Food-Fotos zu sehen. Interessierte können sich bereits in einer Warteliste eintragen, um zu den ersten zu gehören, die den zellbasierten Lachs probieren dürfen. Aber wie lange dauert es wirklich noch, bis die Produkte für die breite Masse zugänglich sind? Wir geben einen Überblick, wie weit der Fortschritt bei der kommerziellen Erzeugung von kultiviertem Fisch derzeit ist.

 

So wird der zellbasierte Fisch hergestellt

Die Herstellung von kultiviertem Fisch verläuft nach demselben Prinzip wie beim In-vitro-Fleisch:

1. Aus dem Gewebe eines lebenden Fisches werden Stammzellen entnommen und in einer Nährlösung vermehrt.

2. Die Stammzellen entwickeln sich in Muskelzellen.

3. Nun müssen die Muskelzellen zu Muskelfasern heranwachsen, sodass eine Fleischstruktur entsteht. Dafür werden die vorgezüchteten Zellen in einem Bioreaktor auf Trägerschichten verankert und weiter gezüchtet. ("Tissue Engineering"). Diese Träger sind zum Beispiel Polymerstrukturen aus Kollagen oder Polysacchariden. Sie sollten möglichst durchlässig sein, damit die Nährstoffe aus dem Nährmedium zu den Muskelzellen gelangen können.

"Tissue Engineering" ist die künstliche Herstellung biologischer Gewebe durch die gerichtete Kultivierung von Zellen. Die Technik wird bereits seit längerer Zeit in der Forschung im Bereich regenerativer Medizin eingesetzt, um beispielweise zerstörtes Gewebe wiederherzustellen.

4. Bislang ist es am einfachsten Produkte wie Fischbällchen oder Nuggets zu erzeugen. Dafür werden die gezüchteten Zellen zu einer Masse zusammengepresst. Um dreidimensionale Produkte wie ein Fischfilet herzustellen, werden Gerüste benötigt. Diese müssen idealerweise essbar sein, damit sie am Schluss nicht nicht wieder entfernt werden müssen.

5. Die Struktur der fertigen Produkte ist auch wichtig für das Verhalten beim Braten und Kochen.

 

Unternehmen und Investoren als Treibende der Branche

Obwohl zellbasierte Lebensmittel als wichtiges Forschungsfeld erkannt wurden, fehlt es oftmals noch an öffentlichen Geldern, um die Forschung voranzutreiben. Eine große Rolle bei der Entwicklung von Technologien und Produkten spielen daher die Start-ups selbst sowie zahlreiche Investoren aus der Privatwirtschaft. Das Good Food Institute (GFI) - eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Washington, die die Entwicklung und Vermarktung von alternativen Proteinquellen fördert - nennt in seinem "2020 State of Industry Report Cultivatet Meat" eine Investitionssumme von insgesamt 366 Millionen Dollar für das Jahr 2020. Unter "cultivatet meat" fallen auch die Unternehmen, die Fisch und Meeresfrüchte auf Zellbasis herstellen. Wie die meisten Start-ups sitzen viele Investoren in den USA. Aber auch große deutsche Lebensmittelunternehmen aus Produktion und Handel springen auf den Zukunftstrend auf und beteiligen sich an vielversprechenden Start.ups. 

 Ein Beispiel aus Europa: Das deutsche Biotech-Unternehmen Bluu Bioscenses hat im März 2021 in einer Finanzierungsrunde 7 Millionen Euro eingesammelt, um die biotechnologische Forschungsarbeit sowie die Produktentwicklung fortzusetzen.

Diese Hürden sind noch zu überwinden

Dass Lebensmittel auf Basis von tierischen Zellen in naher Zukunft - aich in Europa - auf den Markt kommen, davon sind die "Treiber*Innen" der Branche überzeugt. Zu welchem Zeitpunkt dies geschieht, ist abhängig davon, wann verschiedene Hürden überwunden sein werden, die einen Markteintritt derzeit noch schwierig machen. Das sind zum Beispiel:

Tierfreie Nährmedien

Als klassisches Nährmedium für die Kultivierung von Zellen wird fetales Kälberserum eingesetzt, für dessen Gewinnunug ungeborene Kälber sterben müssen. Die Unternehmen versichern, es habe höchste Priorität, das tierische Nährmedium durch pflanzliche oder syntetische Alternativen zu ersetzen. Einigen soll dies in Kooperation mit spezialiserten Firmen bereits gelungen sein. Nun gilt es jedoch, diese Nährmedien - die je nach verwendeten Zellen unterschiedliche Zusammensetzung haben müssen - kostengünstig herzustellen.

Skalierung der Produktion

Derzeit arbeiten viele Unternehmen noch unter Laborbedingungen mit sehr kleinen Bioreaktoren oder ersten Pilotanlagen. Unter diesen Voraussetzungen ist es jedoch (noch) nicht möglich, die Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Um nicht nur einzelne Restaurants, sondern auch Supermärkte beliefern zu können, müssten die Produkte in viel grösserem Maßstab hergestellt werden. Solche Produktionsanlagen sind jedoch noch in der Entwicklung. Die Notwendigkeit der Skalierbarkeit gilt auch für die Herstellung des Nährmediums sowie für die Entwicklung von ( pflanzenbasierten) Gerüsten für die Produktion von dreidimensionalen Fleisch- bzw. Fischfleischstrukturen.

Zulassung

Für die Zulassung von zellbasiertem Fisch ist in Europa die sogenannte Novel-Food-Verordnung maßgeblich. Unternehmen müssen bei der Europäischen Kommission die Zulassung ihrer Produkte beantragen. Das Verfahren beinhaltet eine Sicherheitsbewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Um den Weg für die Zulassung freizumachen, hat zum Beispiel das deutsche Unternehmen Bluu Bioscensices früh den Kontakt zu den Behörden gesucht. "Die Zulassung ist ein wesentlicher Meilenstein für jedes Unternehmen in dem Bereich. Unsere ersten Produkte sollen 2022 fertig sein, paralell arbeiten wir an der Zulassung. Im Moment ist es schwierig, vorherzusageen,  wann genau die EU die ersten Zulassungen erteilen wird. Wir arbeiten eng mit den Behörden zusammen, um den Prozess bis zur Markteinführung zu verstehen und alle nötigen Daten liefern zu können. Wir alle wünschen uns sichere Lebensmittel, deshalb braucht die Zulassung Zeit und Gründlichkeit"., sagt der Geschäftsführer Dr. Sebastian Rakers in einem Interview mit dem veganen Wirtschaftsmagazin vegconomist anlässlich der New Food Conference im Oktober 2021.

 

Akzeptanz von Verbrauchenden

In den USA gab es bereits Tastings von Zubereitungen mit zellbasiertem Fisch.

Ob Fisch und Fleischprodukte auf Basis von Zellen wirtschaftlich zu einer Erfolgsstory werden könnten, hängt stark von der Akzeptanz der Verbraucherinnen und Verbraucher ab. Solange die genannten Probleme noch nicht gelöst und die alternativen Proteinquellen noch nicht für die breite Bevölkerung zugänglich sind, bergen Umfragen zum Thema viele Unsicherheiten.

Konkrete Einblicke zu Ansichten über zellbasierte Lebensmittel geben zum Beispiel die Aussagen von Bürgerinnen und Bürgern, die im Rahmen des Projekts "Visionen von In-vitro-Fleisch" des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) an partizipativen Formaten der qualitativen Sozialforschung (Gruppendiskusion und Bürgerjury) teilgenommen haben.

So sahen einige der Teilnehmenden in der Technologie eine potenzielle Verbesserung der Qualität der Tierhaltung. Andere sahen in ihr jedoch die Gefahr, dass die Tiere durch die Stammzellenentnahme dauerhaft gequält werden könnten. Positiv wurde auch die Senkung des Resourcenverbrauchs gesehen. Einige Befragten befürchten jedoch, die Innovaion könnte zu einem noch höheren Fleischkonsum führen. Die Mitglieder der Bürgerjury waren sich einig, dass eine Reduktion des Fleischkonsums sowie eine Förderung von pflanzlichen Alternativen und ökologischer Landwirtschaft die beste und einfachste Lösung wäre. Insgesamt realistischer erschien ihnen jedoch die Etablierung von In-vitro-Fleisch. Die dürfte in der Annahme begründet sein, dass eine mehr pflanzenbasierte Ernährung zwar sinnvoll für die Gesundheit der Menschen und des Planeten wäre, viel Menschen aber dennoch nicht auf den Konsum von Fleisch verzichten möchten.:

Unsicher waren die Teilnehmer in Bezug auf mögliche gesundheitliche Folgen der Technologie sowie der weiteren Entfremdung der Menschen von seiner Nahrung. Die einhellige Meinung der Bürgerjury war, der Staat solle Strategien zur Reduktion des Fleischkonsums entwickeln und gleichzeitig Alternariven fördern. In-vitro-Fleisch könne dabei eine Alternative sein, aber nicht die einzige,

Ausblick

Die Produktion von zellbasiertem Fisch hat einige Vorteile

Die Meere werden entlastet

Bei Fisch  ist die entnahme von Zellen, die Biopsie, im Idealfall nur einmalig erforderlich. Das gelingt bei  manchen Unternehmen schon, weil durch das entwickelte Verfahren erreicht wird,  das sich die Zellen unendlich teilen.

Fischprodukte aus Fischzellen sind frei von Gentechnik, Antibiotika, Mikroplastik und Umwelltgiften.

 Zellbasierte Fischprodukte lassen sich gut mit Nährstoffen (z.Bsp. Omega-3-Fettsäuren) anreichern.

• In den Bioreaktoren werden nur die Teile produziert, die tatsächlich gegessen werden. So lässt sich Lebensmittelverschwendung vermeiden.

• Nicht zuletzt sehen Befürworterinnen und Befürworter der Tecchnologie ein großes wirtschaftliches Potenzial für Deutschland.

 

Was die Klima und Umweltbedingungen angeht, bleibt abzuwarten, wie energieeffizient große Produktionsanlagen sein können. Laut Bluu Biosciences hat zellbasierter Fisch gegenüber zellbasiertem Fleisch den Vorteil, dass der Energieaufwand der Produktion deutlich geringer ist. Denn Fische sind im Gegensatz zu Säugetieren wechselwarm. Das heißt, ihre Zellen benötigen wahrscheinlich nur Zimmertemperatur, um sich zu vermehren.