Was meint die Politik?

DruckversionDruckversion

 

Parteien äußern sich zur KORMORANPROBLEMATIK.  Prof. Dr. Werner Steffens. Fischer & Teichwirt 1/2018. Auszugsweise Wiedergabe.

Der Deutsche Angelfischerverband hat im Januar 2017 verschiedene Wahlprüfsteine an die Parteien geschickt und darin um Stellungnahme zu aktuellen angelfischereilichen Problemen gebeten.Unter den gestellte Fragen waren auch zwei, die sich mit dem Status des Kormorans befassten.

Die beiden Fragen lauteten:

Ist der gegenwärtige Schutzstatus des Kormorans noch Zeitgemäß?

​Sollte der Kormoran in die Liste der jagdbaren Arten des Bundesjagdgesetzes aufgenommen werden und/oder in einen der Anhänge der Vogelschutzrichtlinien?

Die Antwort der Parteien:

CDU/CSU:

​Heute lebt in Deutschland eine große Zahl von Kormoranen. Der Bestand hat sich nach der Unterschutzstellung durch die EU-Vogelschutzrichtlinie stark entwickelt. Das führt zum Teil für Fischbestände und Fischerei zu Problemen. Schätzungsweise fangen die Kormorane in Binnengewässern mehr als 22.000 Tonnen Fisch pro Jahr - etwa genausoviel wie Berufs- und Angelfischer zusammen. Aufgrund der positiven Bestandsentwicklung streben wir eine grundsätzliche Lösung durch einen EU-Managementplan für Kormorane an, der sowohl den Interessen der Fischerei und des Fischartenschutzes wie auch dem Vogelschutz gerecht wird. Dem steht jedoch der Schutzstatus des Kormorans auf EU-Ebene gegenüber.  Wir setzen uns dafür ein, dass der Schutzstatus an die Bestandsentwicklung angepasst wird. Dann kann auch die Aufnahme in das Jagdrecht bzw. in die entsprechende Vogelschutzrichtlinie geprüft werden.

Das nationale Artenschutzrecht bietet aber innerhalb des Rahmens der Vogelschutzrichtlinien schon heute Möglichkeiten, Schäden abzuwehren. Das Buindesnaturschutzgesetz erlaubt Eingriffe in die Bestände der Kormorane bei nachweisbaren Schäden. Dafür sind in Deutschland die Länder zuständig, sodass bestimmte Probleme regional lösbar sein können. Dies erweist sich bei wachsenden Kormoranbeständen immer häufiger als nicht ausreichend. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass die Bund-Länder- Arbeitsgruppe Kormoran das Mangement in Deutschland weiterentwickelt.

SPD:

In den Jahren 2004 bis 2009 hat die Bestandsentwicklung des Kormorans in Deutschland eine gewisse Spitze erreicht. Mit einem nennenswerten Anstieg der Bestände ist zukünftig nicht zu rechnen. Die Regulierung des Kormoranbestandes verläuft offenbar durch dichteabhängige Faktoren. Die nicht mehr kontinuierlich anwachsenden Brutpaarzahlen deuten darauf hin, dass der Komoran in Deutschland die Kapazitätsgrenze seines Lebensraums erreicht hat. Bereits heute können Kormorane unter bestimmten Voraussetzungen (Kormoranverordnungen) bejagt werden, in Bayern werden z. B. jährlich ca. 10.000 Kormorane abgeschossen. Eine Aufnahme des Kormorans in die Liste der jagdbaren Arten ist unter diesen Umständen nicht geboten.

Wichtige Faktoren, die den Zustand der Fischfauna negativ beeinflussen, sind fehlende Durchgängigkeit, Verbau der Ufer, fehlende Wurzelunterstände oder strukturarme Gewässersohlen. Gegenmaßnahmen sind vor allem Maßnahmen zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit, zur Verbesserung des Wasserhaushalts, aber auch der Wasserqualität. Eine lokale Beeinflussung der Maßnahmenwirkung durch Predation lässt sich nicht generell ausschließen. Es liegen jedoch keine gesicherten Erkenntnisse dafür vor, dass hohe Kormoranbestände die Ziele der WRRL für die Fischfauna unerreichbar werden lassen.

DIE LINKE:

​Es ist ein Erfolg für den Artenschutz, dass die Kormoranpopulation auf das natürliche Maximum angewachsen ist. Jetzt, da das Ziel der strengen Unterschutzstellung erreicht ist, sollten differenziert nach regionalen Bestandsentwicklungen auch die Wechselwirkung der Kormoranpopulation stärker in den Focus rücken, damit ein fairer Interessenausgleich, nicht nur mit der Fischereiwirtschaft, sondern auch in Bezug zu Bestandsentwicklung heimischer Fischarten gefunden werden kann. Die Kormoranbestände haben sich durch den Schutz nach der EU-Vogelschutzrichtlinie erholt und die Art ist nicht vom Aussterben bedroht. Wir wollen, dass bundeseinheitliche Strategien zur Schadens- und Konfliktvermeidung zur fairen Schadensregulierung entwickelt werden, um wirtschaftliche und soziale Interessen mit Naturschutzzielen zu harmonisieren und nicht gegeneinander auszuspielen. Wir wollen bundesweit verbindliche Eckpunkte für ein Kormoranmanagement das den guten Erhaltungszustand des Kormorans genaus so im Blick hat, wie den der Äsche und anderer Fischarten sowie die Sorgen der Fischwirtschaft. Statt auf einen Flickenteppich aus Kormoranverordnungen zu setzen, wäre es zudem immer noch sinnvoll, ein europäisches  Kormoranmanagement durchzusetzen, wofür sich das EU-Parlament schon vor  langer Zeit ausgesprochen hat.

Bündnis 90/ Die Grünen

Wir sehen hier keinen Änderungsbedarf. Für einen gesunden Fischbestand in den Gewässern wären Maßnahmen, die die massive Verbauung, Begradigung und Staustufen auflösen würden sowie die Gewässerbelastung durch Überdüngung stoppen würden, viel zielführender.

Eine Aufnahme in die Liste der jagdbaren Arten halten wir nicht für nötig. Darüberhinaus hätte der Kormoran auf Grund der europarechtlichen Schutzbestimmungen sowieso eine ganzjährige Schonfrist und könnte nicht gejagt werden.

FDP:

Wir freie Demokraten werben angesichts der zum Teil stark gewachsenen Komoranpopulationen und ihres erheblichen Fraßdrucks auf gefährdete Fischarten dafür, den Kormoran in der Tat sobald wie möglich als jagdbare Art dem §2 des Bundesjagdgesetzes zu unterstellen, damit ein praktikables Management möglich wird.

Nachbemerkungen ​

Es ist schon erschreckend und sehr beunruhigend, dass zwei der angeschiebenen fünf Parteien völlig realtätsfremd reagieren und dabei auch unrichtige Aussagen treffen. In diesem Zusammenhang drängt sich natürlich die Frage auf, ob Unkenntnis vorliegt oder wissentlich falsche Angaben gemacht werden. Sorgfältige Recherchen wurden vor der Beantwortung der Fragen offensichtlich nicht durchgeführt. Es liegt jedoch inzwischen eine Fülle von aussagekräftigem Material zu diesem Fragenkomplex vor, so dass eine sachlich einwandfreie Beantwortung der Fragen durchaus möglich gewesen wäre.

Es stimmt nicht, wenn behauptet wird, dass die Bestandsentwicklung des Kormorans in den Jahren 2004 bis 2009 in Deutschland eine gewisse Spitze  erreicht habe und mit einem nenneswerten Anstieg der Bestände zukünftig nicht zu rechnen sei. In Mecklenburg-Vorpommern wurden im Jahr 2016 15.473 Brutpaare nachgewiesen. Prof. Dr. Karl-Heinz Brillowski, Präsident des Landesanglerverbandes M-V schrieb im Fischerei&Teichmarkt M-V 3/2017:3:

​...die für M-V ausgewiesenen 15.473 Brutpaare bedeuten rund 31.000 Brutvögel. Diese machen jedoch beileibe nicht  den Gesamtbestand der Population aus, denn neben Brutvögeln sind die heranwachsenden Jungvögel und ausgewachsenen Nichtbrüter zu berücksichtigen, die das 1,8-fache des Brutvogelbestandes umfassen und nicht zu vergessen die erbrüteten Jungvögel des laufenden Jahres, die für 6 Monate mit Nahrung versorgt werden müssen. Unter Berücksichtigung all dieser Größen können wir davon ausgehen, dass wir in M-V annähernd 100.000 Kormorane mit Fisch versorgen müssen, das sind 50 Tonnen täglich oder 18.000 Tonnen pro Jahr.

​Eine solche Größenordnung in Verbindung mit dem Entwicklungstrend der Population zeigt​: Wir schützen den Kormoran nicht, wir züchten ihn! Deshalb müssen wir jetzt unsere wodurch auch immer veranlasste Zurückhaltung gegenüber dem Kormoran aufgeben, es ist schon einige Stunden nach 12!

In der ganzen Bundesrepublik  Deutschland hat sich der Kormoranbestand von 21.329 Brutpaaren im Jahr 2010 auf 24.634 Brutpaare im Jahr 2015 erhöht. (Bundestagsdrucksache18/11360. Von einer Spitze in den Jahren 2004 bis 2009 kann also keine Rede sein!

Da die Kormorane weite Wanderungen durch ganz Europa unternehmen, verdient auch die Entwicklung des Gesamtbestandes in Europa Beachtung. Die Zahl der Brutpaare der kontinentalen Unterart des Kormorans (Phalacrocorax carbo sinensis) stieg in Europa (westliche Paläarktis) im Zeitraum von 2006 bis 2012 von 320.000 auf 371.000, das heißt um 16% an. Auch in Europa insgesamt ist der Kormoran also immer noch auf dem Vormarsch begriffen. (Bregnhalle u. Mitarb. 2014).

Nachfolgend seien Fakten angeführt, aus denen hervorgeht, dass es sehr wohl belastbare Erkenntnisse für einen gravierenden Rückgang von Fischbeständen durch Kormoranfraß vor allem in Fließgewässern gibt. Aber auch in Seen sind Beeinträchtigungen durch Kormoranfraß festzstellen.

​"Inzwischen  konnte für zahlreiche Gewässer der Nachweis geführt werden, dass ein starkes Auftreten von Kormoranen erhebliche negative Auswirkungen auf den Fischbestand hat. In Fließgewässern leiden vor allem die Bestände der Äsche (Thymallus thymallus) in starkem Maße unter dem Kormoran. Aber auch andere Fischarten, zum Beispiel Bachforelle (Salmo trutta fario), Barbe (Barbus barbus) oder Döbel (Leuciscus cephalus), werden häufig in Mitleidenschaft gezogen" ​(Artenschutzreport 32/2013 8-16).

Gut dokumentiert sind derartige Rückgänge von Fischbeständen nach dem Einfall von Kormoranen in Fließgewässern unter anderem aus verschiedenen Bundesländern, so aus Baden-Würtemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (Berg u. Baer 2008; Dehus u. Mitarb. 2008; Ebel 2012; Füllner u. George 2007; Görlach u. Müller 2008; Görlach u. Wagner 2008; Görner 2007, 2008; Hanfland u.Mitarb. 2011; Schwevers u. Adam 1998 , 2003; Wagner u. Mitarb. 2008; Wetzlar 2008; Wißmath u. Wunner 1996).

Im Rhein gefährdet der Komoran das mit großem  personellem und materiellem Aufwand betriebene Wiederansiedlungsprogramm des Lachses und anderer Wanderfische (Fischer&Teichwirt 8/2017:307-309).

Es kann ferner auf zusammenfassende Darstellungen verwiesen werden: Bundesamt für Naturschutz (2007), Deutscher Fischerei-Vernand (2005, 2007), Görner (2006, 2008), Guthörl (2006), Hanfland (2010), Hanfland u. Mitarb. (2011), Kohl (2006,2007, 2010, 2011), Schröder u. Mitarb. (2007), Steffens (2012, 2013).

Es sei hier schließlich auch auf das jüngste (2017) veröffentliche Positionspapier der Nordischen Länder (Anglerorganisationen von Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden) aufmerksam gemacht, in dem deutlich zum Ausdruck gebracht wird,dass es zu viele Kormorane in Europa gibt.

​In ganz Europa leben mehr als 2 Millionen Kormorane (Kohl 2011). Bei einem täglichen Nahrungsbedarf von etwa 500 g (Sato u. Mitarb. 1988) fressen diese Vögel 1.000 t Fisch pro Tag. "Es ist naheliegend, dass diese Entnahme nicht ohne Auswirkungen auf die Fischbestände bleiben kann" ​ (Artenschutzreport 32/2013:8-16). Die zweifellos notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässer (Durchgängigkeit, Morphologie, Wasserhaushalt, Wasserqualität) reichen ohne die Vermeidung des Fischfraßes durch den Kormoran jedoch keinesfalls aus, um einen guten Fischbestand zu gewährleisten.